Software, Adware, Ransomware, Everyware - Begriffe, die das Suffix -ware nutzen, stehen im heutigen Digitalisierungsdiskurs in voller Blüte. Vor 70 Jahren gab es all diese Wörter noch nicht. Damals kannte man im Kontext des aufstrebenden Computers zunächst nur Hardware. Das englische Wort lässt sich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen und bezeichnete ursprünglich als Sammelbegriff alle denkbaren Vorrichtungen, Ausrüstungen, Werkzeuge und Geräte für die Konstruktion und Reparatur eines Bauwerks oder Objekts1. Also zum Beispiel Hammer und Nägel.
Diese Bedeutung im Sinne von „Eisenwaren“ ist im englischsprachigen Raum nach wie vor in Gebrauch. Davon ausgehend lag es offenbar nahe, auch die elektronischen Komponenten für den Bau eines Computers als Hardware zu bezeichnen. Die Übertragung des Begriffs auf die Domäne der Informationstechnologie war der erste Grundstein, der die Entwicklung weiterer -ware-Begriffe begründete.
Software - vom Wortspiel zur Milliardenindustrie
In der Frühphase des Computers wurden neben dem Bau immer leistungsfähigerer Hardware auch die Möglichkeiten der Programmierung immer weiter ausgelotet. So kam es im Laufe der 1950er Jahre dazu, dass ein Bedarf für neues Vokabular entstand, das die Ebene des Programmierten bezeichnete. Den Anfang machte ein Wortspiel, das auf polaren Gegensätzen beruht: hart und weich. Zu dem seit Jahrhunderten etablierten Wort Hardware gesellte sich die Software.
Damals wirkte der Begriff zunächst einmal albern und sorgte für Irritationen. So schreibt der Mathematiker Paul Niquette, der sich die Schöpfung des Begriffs auf die Fahnen schreibt:
When I first said ‘software’ out loud, people around me said, “Huh?” From the very beginning I found the word too informal to write and often embarrassing to say. […] Colleagues and friends simply shrugged, no doubt regarding each utterance as a tiresome prank2
Die Erfindung des Worts Software suggerierte eine konzeptuelle Trennung zwischen den harten elektronischen Bauteilen, aus denen ein Computer besteht, und den weicheren formbareren Programmteilen. Die Bezeichnung durch etwas Gegensätzliches - hart und weich - legt allerdings eine strikte Trennung nahe, die de facto nicht existiert. Der Historiker Paul Ceruzzi hat das Mißverständnis, Software getrennt von Hardware zu verstehen, durch den Vergleich mit einer Zwiebel veranschaulicht:
The word „software“ suggests that there is a single entity, seperate from the computer’s hardware, that works with the hardware to solve a problem. In fact, there is no such single entity. A computer system is like an onion, with many distinct layers of software over a hardware core.3
Somit hat uns das Wort Software eine terminologische Unschärfe eingehandelt, die es uns im Gegenzug aber erleichtert, flexibler über die Ebene des Programmierten zu sprechen. Die künstliche Differenzierung in Hardware und Software ist mittlerweile so stark in unserem Denken verankert, dass sie uns selbstverständlich erscheint. Was mit einem harmlosen Wortspiel begann, ist heute eine Milliardenindustrie. So trug das von Hardware übertragene Suffix -ware nicht zuletzt dazu bei, etwas Programmiertes zu etwas Verkaufbarem - einer Ware - zu machen.
Bezeichner für das Dazwischen
Der Siegeszug der Software läutete den Urknall für die Verbreitung des -ware-Suffix in der IT-Welt ein, die sich als immer weitere Ausdifferenzung jener neu abgegrenzten Welt des Programmierbaren verstehen lässt. Dabei stechen einige Bereiche hervor, in denen die neuen Begriffe besonders weit verbreitet sind.
So kursieren beispielsweise mehrere Varianten, die bestimmte Zwischenebenen oder Übergänge zwischen konzeptuell unterschiedlich gedachten Bereichen bezeichnen. Einer davon ist die Firmware, die genau an dem unscharfen Übergang zwischen Hard- und Software ansetzt. Wikipedia definiert Firmware als
Software, die in elektronischen Geräten eingebettet ist und dort grundlegende Funktionen leistet […] Der Begriff leitet sich davon ab, dass Firmware funktional fest mit der Hardware verbunden ist, was bedeutet, dass das eine ohne das andere nicht nutzbar ist.4
Natürlich ist auch jede weitere Software nicht ohne Hardware nutzbar, aber bei der Firmware fällt es besonders deutlich auf. Sie ist nach Ceruzzis Zwiebel-Analogie eine Abstraktionsschicht, die sehr weit im Inneren der Zwiebel liegt und mit dem Hardware-Kern sehr deutlich verkettet ist.
Ein weiterer Übergangsbegriff ist die Middleware. Sie bezeichnet im Grunde genommen eine Zwiebelschicht, die zwischen zwei weiteren Schichten liegt und typischerweise den Zugriff auf eine tiefer liegende Abstraktionsebene vereinfacht.
Vertriebsformen und Schadsoftware
In den 1990er Jahren erlebte eine -ware-Welle ihren Höhepunkt, die zwischen bestimmten Vertriebsformen für Software differenzierte. Der bekannteste Vertreter ist die Shareware. Darüber hinaus gibt es aber auch die Trialware, Donation Ware, Freeware, Crippleware und nicht zuletzt die Postcardware, bei der sich die genügsamen EntwicklerInnen der Software mit Postkarten von den Nutzern als Gegenleistung zufrieden geben.
Seit der Jahrtausendwende hat das Vokabular rund um Schadsoftware - kurz: Malware (im Umlauf sind auch badware, evilware und junkware) - einen Schub bekommen. Wir werden geplagt durch Spyware, Adware und neuerdings auch vermehrt Ransomware.
Auch bei Marken- und Firmennamen in der Software-Branche ist das Suffix weit verbreitet, da es eben Assoziationen zum Tätigkeitsfeld schafft. Ein Beispiel dafür ist Lexware, ein Anbieter von Buchhaltungssoftware. In fiktionalen Entwürfen des Cyberpunks ist die Wetware ein etablierter Begriff5.
Fazit
Die Vielfalt der -ware-Begriffswelt zeigt, wie weit verbreitet die formelhafte Anwendung des Suffix ist. Wer sich mit Digitalisierungsthemen beschäftigt, hat sich längst an diese Ausdifferenzierung gewöhnt und assoziiert neue Vertreter unweigerlich mit ihren Urahnen Hardware und Software.
Die Welt des Programmierbaren bietet eben nicht nur einen frei gestaltbaren Raum mit beliebig komplexen Abstraktionsschichten. Sie schürt auch den Bedarf nach einem stetig wachsenden Vokabular, mit dem wir einzelne Aspekte aus diesem Raum überhaupt adressieren können. Die -ware-Familie wird auch in Zukunft weiter wachsen.
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Ceruzzi, Paul E.: A history of modern computing. Cambridge: MIT Press, 1999. ↩
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http://www.rudyrucker.com/blog/2007/08/25/what-is-wetware/ ↩