Manche geben bei der Digitalisierung Gas, legen einen Gang zu, kommen in Fahrt und drücken aufs Tempo. Andere treten auf die Bremse, geraten ins Schleudern, oder haben die Kurve nicht bekommen. Solche Metaphern begegnen uns immer wieder, wenn es um den Stand der Digitalisierung in Deutschland geht - sei es in redaktionellen Artikeln oder in Reden und Forderungen von Politiker­innen und Politikern.

Autometaphern durchziehen massiv unser gesamtes Denken, trotz aller Kritik am Individual­verkehr vor dem Hintergrund des Klimawandels. Eine lesenswerte Einführung gibt beispielsweise der Sprachkompass, der aus einem Forschungs­projekt der Universität Bern hervorgegangen ist. Neben zahlreichen Beispielen aus der Alltags­sprache geben die Autoren folgende generelle Einordnung:

Linguistisch gesprochen verbinden sich die genannten Metaphern zu einer übergeordneten konzeptuellen Metapher DER MENSCH IST EIN AUTOMOBILIST bzw. LEBEN IST AUTOFAHREN (Lakoff und Johnson 1980). Deren breite Anwendbarkeit macht deutlich, wie tief das Automobil und das Autofahren heute unsere Kultur durchdringen und nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Gefühle prägen.1

Die Digitalisierung ist zum Einen ein Anwendungs­bereich dieser übergeordneten konzeptuellen Metapher neben vielen weiteren Kontexten, in denen sie zum Tragen kommt. Darüber hinaus haben sich eine Reihe von Autometaphern in Digitalisierungs­diskursen besonders stark eingenistet und spezielle Bedeutungen angenommen. Zwei davon - die Datenautobahn und den digitalen Führerschein - schauen wir uns im Folgenden genauer an.

Digitale Infrastruktur und die Datenautobahn

Die Datenautobahn ist die deutsche Ausprägung des Information Highway, einer US-amerikanischen Metapher für das Internet, die vor allem in den 1990er Jahren weit verbreitet war. Die weite Durchdringung des Begriffs zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Datenautobahn im Duden2 gelistet ist und auf einer eigenen Wikipedia-Seite behandelt wird. Dort heißt es:

Mit dem Begriff Datenautobahn wurde ursprünglich versucht Sicherheit, Zielgerichtetheit, Übersichtlichkeit, Geschwindigkeit und Effektivität mit dem Internet zu verbinden. Der Ausdruck zielt allerdings mehr auf das gedankliche Konzept „Ordnung“ ab statt auf das der „Freiheit“, welches sich auch in der neuen Bedeutung des Wortes Surfen wiederfindet. Der Ausdruck Datenautobahn ist daher vielfach als falsches Bild kritisiert worden und konnte die verbreitete Metapher des „Surfens“ nicht verdrängen.3

Dass sich mit dem Surfen eine ungebundenere Fort­bewegungs­art zur Beschreibung der Navigation im Internet durchgesetzt hat, ist zwar richtig. Dennoch ist das Bild der Datenautobahn beileibe nicht verschwunden. Es ist nach wie vor eines der gängigsten Bilder zur Beschreibung infra­struktureller Vorhaben. So sehen wir immer wieder Schlagzeilen wie Schnelles Internet in der Region - Aufholjagd auf der Datenautobahn (Stuttgarter Zeitung) und Internet per Glasfaser: Spanien rast auf der Datenautobahn (Tagesschau). Auch die politischen Zuständig­keiten legen nahe, dass die Autobahn-Metapher unser Denken und Handeln nach wie vor beeinflusst. Denn wo ist der Breitband­ausbau institutionell angesiedelt? Im Verkehrsministerium.

Es mag durchaus Parallelen geben zwischen Verkehrs­infrastruktur und der Infrastruktur, die dem Internet zugrunde liegt. Neue Netzwerke nutzen typischerweise die gegebene Basis älterer und paralleler Netzwerke. Leitungen werden entlang von Straßen und Schienen verlegt. Dennoch gibt es etliche Unterschiede. So vermittelt die Datenautobahn zum Beispiel in Bezug auf die Abdeckung ein falsches Bild. Nicht jedes Dorf verfügt über einen eigenen Autobahn-Anschluss. Es sollte aber jeder Haushalt über einen schnellen, zeitgemäßen Internet-Anschluss verfügen. Das Bild der Autobahn transportiert nicht die Anforderung einer flächendeckenden Abdeckung und stellt schnelles Internet dadurch als mehr oder weniger optional dar. Insofern hilft die Datenautobahn, die Versäumnisse des Breitband­ausbaus zu kaschieren, bei dem Deutschland im internationalen Vergleich sehr schlecht abschneidet.

Digitale Kompetenz und der Führerschein

Der digitale Führerschein wird sowohl wörtlich als auch metaphorisch verwendet. Wörtlich bezeichnet er das digitale Pendant eines herkömmlichen Führer­scheins. Damit könnten wir in Zukunft bei einer Verkehrs­kontrolle das Smartphone zücken und müssten nicht wie bisher die Plastik­karte aus dem Portmonnaie fischen. Metaphorisch wird der Begriff von zahlreichen Anbietern und Initiativen - von Industrie- und Handelns­kammern über Bildungswerke bis hin zu Beratungs­gesellschaften - als Bezeichnung für bestimmte Bildungsangebote genutzt.

Seit Mitte der 1980er Jahre haben sich bereits verschiedene Modelle für sogenannte Computerführerscheine etabliert4. Mittlerweile entstehen diverse Weiterbildungsangebote, die in Anlehnung daran als digitaler Führerschein, Digitalisierungsführerschein oder Digitalführerschein bezeichnet werden. Ein Beispiel dafür ist der kürzlich vorgestellte DsiN-Digitalführerschein der Initiative Deutschland sicher im Netz.

Für die Vermarktung der Bildungs­angebote ist die Führerschein-Metapher durchaus geschickt gewählt. Sie schafft einen Rahmen des Bekannten für Kontexte, die den Zielgruppen solcher Digitalisierungs­seminare potenziell unbekannt sind. Der überwiegende Großteil der Bevölkerung besitzt eine Fahrerlaubnis. Einen Führerschein zu machen, ist die Norm.

Weiterbildungs­angebote zum Ausbau digitaler Kompetenzen sind sehr wichtig, um sowohl den Umgang als auch die reflektierte Auseinander­setzung mit den digitalen Möglichkeiten zu fördern. Ob die Metapher des Führerscheins den Adressaten der Bildungs­angebote jedoch Sicherheit vermittelt, oder sie im Gegenteil eher verunsichert, darüber lässt sich streiten.

Einerseits suggeriert sie, dass das Angebot ausreichend Kompetenz vermittelt, um sicher und unfallfrei im digitalen Raum navigieren zu können. Das kann Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schaffen. Andererseits legt sie aber auch nahe, dass da im Digitalen Gefahren lauern und strikte Regeln zu beachten sind. Diese Lesart läuft der Vorstellung des Digitalen als freien und gestaltbaren Raums zuwider und verstellt den Blick auf eine der wichtigsten Fähigkeiten zum Aufbau digitaler Kompetenz: Experimentier­freude.

Der Vergleich mit dem Führerschein - einem staatlich organisierten Ausweis - baut außerdem eine künstliche Verbindlichkeit auf, die so de facto nicht existiert - es sei denn, der digitale Führerschein ist Teil eines unternehmens­spezifischen obligatorischen Weiterbildungs­programms.

Fazit

Wie bei jeder Metapher setzt auch die Autometaphorik auf Ähnlichkeiten und Parallelen, die durch die genutzten Bilder in den Vordergrund treten. Und Differenzen, die wir allzu leicht ausblenden. Es lohnt sich jedenfalls, genauer hinzuschauen und sich die Nutzung von Autometaphern im eigenen Sprachgebrauch bewusst zu machen - um nicht allzu blind auf der Überholspur den Turbo einzulegen.