Die Zeit des Wahlkampfs ist immer eine Zeit der großen Forderungen. Wer vor der Bundestags­wahl 2021 die Wahl­programme der vier großen Parteien gesichtet hat, mag dabei eine Parallele entdeckt haben: die Forderung nach Digitalpakten. Die SPD will einen Digitalpakt für die Kinder- und Jugendhilfe auflegen1, die CDU liebäugelt mit einem Pakt für den digitalen Rechtsstaat 2.02. Die Grünen fordern einen Bund-Länder-Digitalpakt Justiz3 und die FDP einen Digitalpakt 2.04.

Auch bei Verbänden und Initiativen erfreut sich der Ruf nach Digitalpakten steigender Beliebtheit:

  • Der Bitkom e.V. hat in einer Stellungnahme vom 30. April 2020 einen Digitalpakt Deutschland vorgeschlagen5.
  • Das Bundes­senioren­ministerium und die Bundes­arbeits­gemeinschaft der Senioren­organisationen haben im August 2021 gemeinsam mit Partnern den DigitalPakt Alter ins Leben gerufen6.
  • Die Bundes­vereinigung Kulturelle Kinder- und Jugend­bildung (BKJ) forderte im September 2021 einen Digitalpakt 2.0 Kultur.Jugend.Gerecht7.

Warum sind Digitalpakte aktuell so in Mode? Woher kommt der Begriff eigentlich? Und welche Gemeinsam­keiten haben die Initiativen?

Der DigitalPakt Schule als Vorbild

Als Vorbild für die aktuellen Rufe nach Digitalpakten scheint der im Frühjahr 2019 beschlossene DigitalPakt Schule herzuhalten. Er bezeichnet ein gemeinsam von Bund und Ländern getragenes Investitions­programm. Laut der Verwaltungs­vereinbarung vom 17.05.2019 stellt der Bund von 2019 bis 2024 fünf Milliarden Euro für „trägerneutral lernförderliche und belastbare, interoperable digitale technische Infrastrukturen sowie Lehr-Lern-Infrastrukturen“ bereit8. Im Jahr 2020 wurde das Budget in Folge der COVID-19-Pandemie um 1,5 Milliarden Euro erhöht. Der Erfolg des noch laufenden Programms kann zurzeit nicht abschließend bewertet werden. An Kritik jedenfalls mangelt es nicht, da die Mittel offenbar nur sehr langsam in den Schulen ankommen9.

Wenn aktuell von dem Digitalpakt die Rede ist, dann ist in der Regel auch der DigitalPakt Schule gemeint. So bezieht sich zum Beispiel der eingangs genannte Digitalpakt 2.0 der FDP darauf. Ganz ohne Vorbild ist jedoch auch der DigitalPakt Schule nicht. Bereits seit 2005 gibt es den Pakt für Forschung und Innovation (PFI), der ebenfalls eine gemeinsame Förder­initiative von Bund und Ländern darstellt. Er könnte Pate gestanden haben für das Förder­modell und die Bezeichnung des DigitalPakts Schule.

Da Bildungs­politik eigentlich Ländersache ist, stellt die finanzielle Beteiligung des Bundes eine Besonderheit dar. Um den Pakt als gemeinsame Förder­initiative überhaupt realisieren zu können, war eine Grundgesetz­änderung nötig. Diese außer­gewöhnlichen Umstände könnten zur Popularität des Begriffs, gerade im politischen Diskurs, beigetragen haben. In dieser Hinsicht lässt sich der DigitalPakt Schule schon jetzt als Erfolg verbuchen. Der Pakt ist nicht umsonst groß geschrieben.

Gemeinsame Charakteristiken

Am Beispiel des DigitalPakts Schule lassen sich einige grundlegende Charakteristiken festhalten, die auf nahezu jeden der oben genannten Digitalpakte zutreffen:

  • Der betroffene Bereich weist einen Nachholbedarf in Hinblick auf digitalisierte Prozesse und digitale Kompetenzen auf. Im schulischen Kontext sind die Mißstände seit längerem bekannt, im Rahmen der COVID-19-Pandemie aber besonders deutlich zum Vorschein gekommen. Es mangelt an Ausstattung, Konzepten und Kompetenzen, um digitale Mittel einzusetzen. Auch Unterrichts­ausfall aufgrund von Quarantäne und Kontakt­beschränkungen konnte nicht durch Unterricht im digitalen Raum kompensiert werden.
  • Ein Digitalpakt bezeichnet ein Förderprogramm. Es geht darum, Aufholeffekte durch Investitionen zu ermöglichen. Die Gemeinsamkeit lautet erst mal: throw money at the problem. Die inhaltliche Ausgestaltung wird jeweils individuell ausgelotet. Die schlichte Forderung nach einem Digitalpakt ist deshalb auch möglich, ohne sich näher mit den Details auseinanderzusetzen.
  • Im Zentrum eines Digitalpakts steht eine Kooperation von Fördergebern und sonstigen Partnern, die sich gemeinsam für einen höheren Digitalisierungs­grad in dem jeweiligen Bereich engagieren. Das ist besonders für die Kommunikation der Initiativen zuträglich. Denn ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit versteht jeder - im Gegensatz dazu, was Digitalisierung in einem bestimmten Bereich überhaupt bedeutet.

Fazit

In der Summe zeigt sich der Digitalpakt als flexibel einsetzbarer Begriff, der finanzielle Unterstützung verspricht sowie Geschlossenheit und einen gemeinsamen Modernisierungs­willen suggeriert. So lassen sich vergangene Versäumnisse und Heraus­forderungen hervorragend ausblenden, indem eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit und Förderung in den Fokus gerückt wird.

Als generische Bezeichnung für ein Digitalisierungs-Förderprogramm, das sich auf beliebige Bereiche beziehen kann, verspricht ein geforderter Digitalpakt Verbesserungen, ohne sie zu nennen. Es ist sehr einfach, Investitionen in einem vernachlässigten Bereich zu fordern. Es ist jedoch nicht so einfach, wirklich sinnvolle Maßnahmen damit zu verknüpfen. In der Umsetzung müssen sich die zahlreichen Digitalpakte erst noch beweisen.